Alles einsteigen! Jede Station bringt eine Zeile

"POÈME DE MÉTRO"

Das U-Bahn-Gedicht folgt einem ebenso klaren wie genauen Ablauf: Es entsteht während der Fahrt im öffentlichen Verkehrsmittel. Seine erste Zeile entsteht im Kopf des Fahrgastes, während er von seiner ersten zur zweiten Station unterwegs ist. Bei Ankunft in der zweiten Station schreibt er diesen Vers nieder, bis die Bahn wieder anfährt. Der zweite Vers entsteht, ebenfalls nur in Gedanken, auf dem Weg zur dritten Station. Dort angekommen, wird er bei Stillstand niedergeschrieben. Und so fort ...

Was unterwegs möglich wäre:

  • pro Station eine Frage an den Frühling, Sommer, Herbst oder Winter
  • pro Station möglichst viele Stabreime oder Assonanzen zum Namen dieser Haltestelle
  • pro Station ein Geruch oder ein Geräusch oder eine Farbe, dann wieder ein Geruch, ein Geräusch usw.
  • pro Station eine Tiermetapher zum Willkommensgruß an jemand, der zugestiegen ist
  • pro Station eine Schimpfkanonade 
  • pro Station ein weiser Spruch à la Konfuzius ...

Zur unterirdischen Begrüßung des Frühlings haben wir uns am 9. März 2017 um 19.00 Uhr am seitlichen Eingang zur U-Bahn-Haltestelle Frankfurt-Hauptwache getroffen. 

 

Dort stiegen wir um 19.09 Uhr gemeinsam in die  U.2 und trafen 13 Minuten später in Heddernheim ein. Es folgte nach kurzer Schnaufpause der Umstieg auf die U.8 bis Oberursel, wo wir im "Lahmen Esel" einkehrten.

 

Bei unserer Rückfahrt in der U.8 zur Frankfurter Hauptwache folgte ein zweiter Durchlauf. Bei acht Teilnehmern entstanden also doppelt so viele U-Bahn-Gedichte - insgesamt 16. Hier einige Beispiele: 

 

FRAGEN EINES GEHETZTEN FAHRGASTES

Liebes Eschenheimer Tor,
warum drängt sich jeder vor?

Oh nein, wo steckt im Grüneburgweg 
nochmal der Fahrberechtigungsbeleg?

 

Holz der Teufel, Hausenstraße,

woher pfeift's in diesem Maße?

Liebe Adickesallee,

tut mein Gucken Frauen weh?

 

Oh du holder Dornbusch, 

tönet vorn ein Horntusch?

Stell dein Phone, Fritz Tarnow,

bitte mit dem Schmarrn off.

 

Zügelst du, Hügelstraße,

zum Spaße

bitte die U-Bahn am Lindenbaum?

Naht schon der Schnellbahn-Netzplan-Saum?

 

Darf, du lieber Weißer Stein,

noch die schöne Türkin rein?

Reim nochmal, oh Heddernheim,

dann ist aber Ausstiegs-Time!

 

Überschrift

Zeile 1

Zeile 2 ...

 


Nota bene

  • Die französische Oulipotin Michelle Grangaud hat 1990 unter dem Titel "STATIONS" eine Sammlung von Anagrammen herausgebracht, die aus einigen Namen der Pariser Metrostationen gebaut sind
  • Ihr Kollege Jacques Jouet veröffentlichte 2000 ein 272 Seiten langes "POÈME DE MÉTRO" aus genauso vielen Versen wie Metro-Haltestellen, in denen der Autor täglich stoppte